„Wie werden die Menschen satt, wenn die Ressourcen knapp werden?“ – Festgottesdienst zum 75-jährigen Bestehen der Braunsfelder Clarenbachgemeinde

Mit einem Festgottesdienst in der Clarenbachkirche feierte die Evangelische Gemeinde in Braunsfeld ihr 75-jähriges Bestehen. Und tatsächlich waren einige Zeitzeugen vor Ort, die die Gründung der Gemeinde am 1. April 1950 miterlebt hatten. Eine typische Nachkriegsgründung, sagte Pfarrerin Ulrike Graupner.

Hervorgegangen ist die Gemeinde aus der in Lindenthal – auch Müngersdorf gehört heute dazu. Dem früheren Braunsfelder Pfarrer Uwe Zimmermann oblag es, einen Blick in die Vergangenheit zu werfen. Er zeigte unter anderem eine Karte, auf der zu sehen war, dass der Egelspfad in den 1950er-Jahren noch nicht besiedelt war.

Die ersten Gottesdienste in der Clarenbachkirche habe man damals auf Kinostühlen gefeiert – die Kanzel war noch weiß. 1952 erhielt die Gemeinde ihre Orgel, 1963 wurde der freistehende Glockenturm fertiggestellt. Heute beherbergt der 26 Meter hohe Turm mit acht Glocken eines der größten Geläute im rheinischen Raum, berichtete Zimmermann.

Rückblick mit Grillduft: Arnd Henze predigt mit Augenzwinkern

Die Predigt im Festgottesdienst hielt Arnd Henze, Theologe und Journalist. Er ist vor sechs Jahren mit seiner Familie aus Berlin nach Braunsfeld gezogen.

Vor 75 Jahren hat ein Gottesdienst ganz anders ausgesehen. Alle wären im Sonntagsstaat erschienen. Nicht so bunt und fröhlich wie heute. Angemessenes Verhalten war Pflicht. Und den Pfarrer umgab eine Aura aus Autorität und milder Strenge. Der Wind wehe, wo er wolle. Und manchmal riecht er nach Grillwurst. Er erinnerte sich, wie seine Tochter dem Geruch folgte und beim sogenannten Mini-Treff der Gemeinde landete: Bratwurst als Seelen-Food in fremder Umgebung.

Bibeltext und der kritische Blick auf Johannes

Zuvor war aus dem Johannesevangelium, Kapitel 6, Verse 47–51 gelesen worden: Ich bin das lebendige Brot, das vom Himmel herabgekommen ist. Wer von diesem Brot isst, wird in Ewigkeit leben. Das Brot, das ich geben werde, ist mein Fleisch – ich gebe es hin für das Leben der Welt.

Henze erinnerte an die Speisung der 5000 – und stellte die Frage: Wie werden die Menschen satt, wenn die Ressourcen knapp werden? Er kritisierte die Tendenz des Evangelisten Johannes, einen Gegensatz zwischen Christentum und Judentum zu konstruieren. Wir als christliche Kirche haben 2000 Jahre zu Hass und Ausgrenzung beigetragen. Der Rheinische Synodalbeschluss „Zur Erneuerung des Verhältnisses von Christen und Juden“ vom 11. Januar 1980 habe das Verhältnis deutlich entspannt. Dennoch müsse man biblische Texte auch kritisch betrachten und Johannes gegebenenfalls widersprechen.

Nachkriegszeit, Konflikte und ein starkes Zeichen

Viele Geflüchtete seien nach dem Zweiten Weltkrieg nach Köln gezogen – aus Schlesien, aber auch aus der sowjetisch besetzten Zone. Deshalb sei die Lindenthaler Gemeinde stark gewachsen. Neue trafen auf Alteingesessene, sagte Henze. Bürgerliche Braunsfelder seien auf die von ihnen sogenannten „Pimocken“ getroffen – das habe durchaus Konfliktpotenzial gehabt, wie alten Gemeindebriefen zu entnehmen sei. Auch in der Gemeinde Lindenthal seien während der Nazi-Zeit die „Deutschen Christen“ in der Mehrheit gewesen – das Nazi-Erbe in Braunsfeld sei lange spürbar geblieben.

Ein Jahr nach Inkrafttreten des Grundgesetzes wurde die Gemeinde gegründet. Man musste das Leben nach den Regeln des Grundgesetzes mühsam lernen. Dass dies gelungen ist, zeige laut Henze ein bemerkenswerter Fakt: In Braunsfeld erzielte die AfD bei den vergangenen Bundestagswahlen bundesweit den niedrigsten Wähleranteil.

Gemeinschaft lebt vom Geist – und von Ideen

Das Abendmahl im Gottesdienst, das Stockbrot bei Jugendfreizeiten, das Wasser bei der Taufe, der Segen bei der Einschulung, der Streuselkuchen beim Gemeindefest, das Braunsfelder Forum nach der Wahl von Donald Trump, als wir dieses verstörende Erlebnis geteilt haben: Die Clarenbachgemeinde war nie eine Pfarrersgemeinde. Es kommt hier nicht auf die Zahl der Pfarrstellen an. Der Geist weht, wo er will.

Auch auf die geplante Fusion mit den Gemeinden Junkersdorf und Weiden blickt Henze zuversichtlich. Nur wer sich ändert, bleibt sich treu. Wir werden nicht der heilige Rest sein, der sich selbst genug ist.

Einen ganz konkreten Impuls gab Arnd Henze zum Abschluss mit: Ich würde mich freuen, wenn beim Pfarrfest alle an Leib und Seele satt würden, ohne Bons kaufen zu müssen. Am Ende des Festes zahlen jeder und jede, was sie können. Und wenn Geld übrig bleibt, reichen wir das weiter an eine arme Gemeinde. Lasst uns einfach mal darüber nachdenken.

Text: Stefan Rahmann
Foto(s): Stefan Rahmann

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